Poetik für den Vorwand.

Montag, 13. Oktober 2014

Der beißende Löwe

Vorgetäuschte Zufriedenheit, eine brökelne Maske, die nicht verbergen kann, was hinter ihr steckt. Langsam, beinahe surrealistisch, ohne die Ketten von Zeit und Existenz. Sie zerfällt, wenn sie gereizt wird durch richtige Reize. Sie hat keine Kraft, keine Ausstrahlung, keine Wirkung, wenn sie zerschmettert wird mit dem mächtigem Hammer der Wahrheit. Doch was ist Wahrheit in einer Welt, die Verlogenheit als geheime Tugend zählt? Was ist Wahrheit in einer Welt, in der das Folgen der Herde dem eigenständigem Denken übergeordnet wird? Welchen Wert haben Wahrheit und Moral, wenn die Menschheit, wenn die Menschheit Werte nicht mehr zu schätzen weiß?
Man mag denken, der Löwe schlummert tief. Mag denken, der Löwe ist gebändigt durch den mächtigen Käfig namens Mensch. Doch des Löwen Zähne sind intakt. Sie beißen, verbiegen, doch dringen sie nicht komplett durch. Der Käfig ist das scheinbar unüberwindbare, das, was Kreativität und freies Denken verbietet – nur wenige können ihn durchbrechen, nur wenige können den inneren Löwen befreien. Doch sind sie dem Löwen gewachsen? Können sie mit ihm ringen, ihm folgen, ihm den Weg vorgeben, können sie mit ihm leben? Oder werden sie durch ihn zerfleischt, werden in tiefe Schwärze gestoßen, unachtsam, mit voller Wucht und ohne rettende Hand? Man muss den Löwen nicht zähmen, man muss auf einer Ebene mit dem Löwen leben. Denn der Löwe ist der wahre Geist des Menschen. Der Löwe ist sein Gesicht, sein Handeln, sein ein und alles – manche mögen ihn als wahre Seele bezeichnen. Der Blick ins eigene Gesicht, ins eigene Antlitz der Abscheulichkeiten, der Widersprüche, der Angst und doch auch der endlosen Schönheit. Man muss mit dem Löwen tanzen lernen. Man muss den Löwen brüllen lassen. Ein Löwe unter Zwänge der Menschen, das ist ein eingesperrter, ein unfreier Löwe. Ein Löwe mit Ketten.
Wie den Löwen füttern? Der Löwe lebt durch sich. Der Löwe – das ist Leben. Die Maske, der Käfig – das ist die Unterdrückung des Lebens, bewusst, unbewusst. Verheimlicht, was die Instinkte schreien, versperrt die Sicht auf die wahren Bedürfnisse. Prägt uns mit der Sicht der falschen Werte, mit dem materiellen Blick, dem Haben, dem Wollen, dem steten Drang nach mehr, dem steten Drang, sich selber zu versklaven. Wer den Käfig zerbricht, kann seine Sicherheit verlieren, kann versinken im Meer der endlosen Schwärze. Doch er kann ebenso Leben erfahren, kann gewinnen und sich erlaben an der Frucht der Kreativität, der Vollkommenheit, vielleicht des erreichten Ideals.

Und der Löwe brüllt. 

Musik als Farben

Ich sehe Musik als Farben. Als ein Spektakel allerlei Farbverläufe, ein Lied ist ein komplexes Gemälde, eines, das lebendig präsentiert wird. Stille ist die Leinwand, auf der ich die Farben der Musik auftrage – jeder Ton hat Emotionen, jeder Ton hat Farbe. Dunkle, herbe, schlagende, durchdringe Laute sind die Schwärze, die Schwere des Bildes. Feine, weiche, federleichte Töne sind das Blau, das den Himmel, den Hintergrund bildet. Musik ist künstlerische Freiheit auf dem höchsten Niveau. Musik bricht Regeln, bedarf keiner rationalen Begründung. Musik ist, ohne sich rechtfertigen zu müssen.

Nebel

Der morgendliche Nebel schleicht umher, stiehlt, nimmt ein, was einnehmbar ist. Er versteckt die Welt vor sich selber, blendet unser Auge zum Schutze vor uns selbst. Er ist es, der uns schützt, uns reines Gewissen beschert, er ist es, der uns in unserem kleinen Kosmos schweben lässt; ist er ein Käfig? Der uns die Sicht versperrt, der uns die Sicht nimmt? Wir müssen ihn durchbrechen, diesen vermeintlich zarten, leicht tänzelnden Nebel, der uns mit seinem feuchten Kuss in Sicherheit wiegt, uns in unser Heim zurückkehren lässt, unsere Sicht blendet für Probleme der Welt. Er trügt durch seine dezente Schönheit, die mit unhörbarem Schritt umher tänzelt, die uns in Trance versetzt, benommen macht.
Doch kann man hinaus gehen, doch kann man ihn durchbrechen, den Nebel des verkleinerten Kosmos. Man kann ihn durchschlagen mit der bloßen Faust des geistigen Wollens, der Sehnsucht nach Freiheit und nach ewiger Liebe. Man kann durch ihn hindurch rennen, man kann die bessere Welt hinter ihm erblicken; denn sogleich man den Nebel durchschreitet, erfährt man die Wärme der unendlich gütigen Sonne. Sobald man den Nebel durchschreitet, umspielen herrliche Melodien das Ohr. Sobald man den Nebel durchschreitet, erfährt man die wahre Güte und wippt im Rhythmus der Vollkommenheit. Denn sobald man den Nebel durchschreitet, ist man frei.
Wer verweilen möchte in der Sicherheit seines Nebels, wer sich nicht hinaus drängen möchte in die Kälte, um das Wunderbare zu erfahren, der wird eingehen an seiner eigenen Seele und es nicht einmal bemerken. Wer keinen Drang, keine Sehnsucht danach, den Nebel zu durchbrechen, verspürt, dessen Hunger ist vergangen, dessen Löwe ist verhungert. Dessen Ideale sind nur blasse Abbilder ihrer Selbst. Er wird versinken in ewiger Belanglosigkeit. Vielleicht wird er die falsche Freude verspüren. Die Freude, die einem vorgibt, Freude zu sein. Die Freude des ewigen, materiellen Wollens, die Freude der Macht, der Versklavung der eigenen Person. Er wird den Nebel als schützende Decke empfinden, eine Decke, die Wärme spendet und Dränge der wahren Außenwelt abhält, den eigenen Geist zu berühren, zu inspirieren, tanzen zu lassen.

Doch wer den Nebel durchbricht, wird Leben erleben.   

Der Regen heilt Wunden

Sanft berührte das Gras ihre länglichen, durch Blut und Dreck verschmierten Beine. Sie rannte. Rannte vor den Kreaturen ihrer Psyche. Vor den Feinden ihrer eigenen Vorstellung.
Sie blickte um sich, lies ihren Blick schweifen, doch nichts außer Gras, langes Gras, Gras, das an die zehn Zentimeter Länge misste. Sie liebte das Gefühl von feuchtem Gras, die Frische, die Lebensfreude, doch in diesem Moment, in dieser Situation verabscheute sie das Gefühl. Nein, das Gras beschwörte gar Übelkeit herauf, ließ sie stocken. Sie zwang sich innerlich, Schmerzen zu unterdrücken, zwang sich, sie zu ignorieren, schließlich „waren sie nur Produkte ihrer kleinen, jämmerlichen Psyche – nicht mehr.“ Doch ihre verrückte Seite widersprach der Vernunft, ließ den Schmerz pochen und pochen, bis sie Krämpfen erlag und auf den Boden sank. Erneut spürte sie das saftige Gras, nun am gesamten Körper, der nur in ein leichtes Tuch gehüllt war. Ein komischerweise befreiendes, wohliges Gefühl. Sofort formten ihre Lippen ein Lächeln. Ein zufriedenes, zutiefst glückliches Lächeln. „Warum kämpfen, wenn es so einfach ist?“, sprach ihre innere Stimme. „Warum kämpfen, wenn man sich fallen, sich betten lassen kann unter der Decke des … Wahnsinns?“. Das letzte Wort hallte in ihrem Kopf. „Wahnsinn.“ War sie wahnsinnig? Hatte sie den Verstand verloren? War sie gegangen, und kannte sie den Weg zurück nicht? Ihre Vernunft kämpfte gegen den Wahn an, sie strampelte, sie zwang sich, aufzustehen, weiter zu rennen, weiter, weiter, bis zum Ziel. Was das Ziel war? Sie wusste es nicht. Und vielleicht wollte sie es auch gar nicht wissen.
Sie konnte sich langsam erheben, ihre schwachen Beine gaben ihrem Körper zwar anfangs nach, doch sammelte sie Kräfte, um erste Schritte zu wagen. Und sie gelingten. Sie begann, ein schnelleres Tempo anzusetzen, beschleunigte weiter und weiter, bis sie zu einem Rennen gelangt war. Sie blickte erneut um sich, und sah, wie sich ihre Umgebung verändert hatte: Bäume umringten sie von allen Seiten, Blätter wurden getragen durch das Spiel der Winde, ein Bach fand sich zu ihrer linken, seichte Sonnenstrahlen durchfielen das grüne Blätterwerk der Bäume und Pflanzen. War sie angekommen? Angekommen im Paradies?
Die Uhr tickte. Sie spürte die Schläge. Jeder Schlag stärkte sie. Schwächte sie. Machte sie zum Teil des Prinzips des Lebens. Alles ist in Bewegung, alles verletzlich, doch ebenso unendlich. Keine Konstanten. Keine Begrenzungen. Alles.
Bewegungen zerflossen in eine bloße, unscharfe Kontur. Ihr Denken wirkte verzerrt, konfus, durch den Schleier der Unwissenheit durchzogen. Sie blickte umher, versuchte, klare Gedanken zu fassen, doch gelang ihr ihr Vorhaben nicht. Ein frischer Hauch durchzog ihre Nase. Luft durchströmte ihr Inneres. Erfrischend. Ein Zuschuss der Energie. Ein Zuschuss der Hoffnung, ein Zuschuss des inneren Antriebs. Ein Zuschuss des Lebens.
Dann: Bunte Schleier, konfuse Formen, sie schienen keiner Logik unterworfen zu sein, lebten frei und ohne Dränge, tänzelten umher in der Sonne, nahmen mal groteske Formen an, mal Darstellungen unglaublicher Schönheit. Farben, dachte sie, sind die Würze des Lebens. Sie wusste nicht, woher dieser Gedanke rührte. Doch er erfüllte sie mit tiefer innerer Zufriedenheit; sie war komplett, und sie bestaunte die Pracht der Farben, die Pracht des tanzenden Lebens, das sich direkt vor ihren naiven (oder doch wissenden?) Augen abspielte. Das war der Quell innerer Zufriedenheit, das war der Quell des maximalen Lebens.
Ein paar seltsame Melodien. Eine leichte Sinfonie ohne Anfang und ohne Ende. Eine endlose Schleife an Tönen, die sich zusammenfügten zu etwas bedeutungsvollem. Beachtete sie es? Sie wusste es nicht. Sie durchschritt die Mauer der Farben, fühlte die leichte Kühle der bunten, tänzelnden Formen an ihrem nackten Körper. Ihr Tuch war ihr mittlerweile entglitten, und sie fühlte sich komplett.
Leichte Tropfen  liefen ihren Körper hinunter, ein breites Meer eröffnete sich vor ihr. Bunte Schwaden der Farben füllten den Himmel, ein Vogel, grässlich entstellt, und doch vollkommen und wunderschön, flog zur Sonne und wurde eins mit ihr. Das Meer rauschte in der Ferne, obwohl es nah, obwohl es direkt vor ihr war. Sie wagte einen Schritt, und spürte das feste Wasser; fest wie Beton, und doch flüssig. Es gab nicht nach, doch fühlte es sich erfrischend und neu an. Vollkommen und unendlich.
Sie ging und ging, blickte hinauf in den Farbenhimmel, fühlte leichte Sonnenstrahlen, die ihre Brust und ihren Bauch erwärmten.
Fische sprangen aus dem Wasser empor, formten Säulen um sie, Bäume säumten den Weg links und rechts von ihr. Woher sie stammen? Aus den Tiefen ihrer Fantasie? Oder waren sie reale Produkte einer irrealen Welt?
Sie schritt vorwärts, stets begleitet von einer seltsamem Musik, einer seltsam beruhigenden Melodie, einem Musikstück der Unendlichkeit und der Schönheit einer freien Taube.
Sie guckte um sich, erstarrte immer wieder, hielt inne für die Schönheit der „Welt“. Sie war gefangen in Träumen der Ästhetik, sie war ein Quell der Freude, einer, der sämtliche positiven Dinge intensivierte. Sie war ein Magnet für das Gute.
Das Wasser fühlte sich sandig an, sie legte sich, und genoss das Gefühl des kribbelnden Sandes an ihren befreiten Körperpartien. Sie blickte empor, strich sich Haaressträhnen aus dem Gesicht, und sah, dass sie sich inmitten einer Wüste befand. Dünen säumten weite Strecken der Landschaft, wilde Tiere, die sich nicht beschreiben lassen, aber unglaublich heilig wirkten in einer Religion des Friedens und der Liebe.

Sie füllte ihre zarten Hände mit Sand und schmiss ihn in die Höhe. Er zerbröselte, bedeckte nach und nach ihren nackten Körper. Sie spürte das leichte Kitzeln, ein leichtes Lächeln entsprang ihren Mundwinkeln. Wilde Pferde ritten in der Entfernung um die Wette, ein Adler umkreiste den eigenen Kosmos der Wüste, nein, nicht auf der Suche nach Nahrung, sondern auf der Suche nach ewigem Frieden. 

Erweiterung des Geistes

Vertreibung des Nebels
Antrieb des Segels
Das mich voran treibt im Meer
Des Sehens
Und so auch des Lebens
Ich erweiter
Um zu sein Reiter
Meiner Träume
Der Bruch der Räume
Ewige Freiheit
So süß und weit
Ich bin bereit
Meinen Geist zu spitzen
Und nicht tatenlos zu sitzen

Auf den Scherben der Vergangenheit.

Prägend

Was ist der Putz des Wissen?
Den, den ich möchte missen?
Was, wenn die Tiefe fällt
Und Bereithält
Was die sogenannte Wahrheit ist?
Wer, wenn nicht wir
Sind die Meister der Gier
Wenn wir wollen erlaben
Den Samen
Der Brüche der Werte?
Die, die verkehrte
„Wir sind hier!“
Schreit er,
es bricht aus ihm wie aus einem Geysir
Doch sind wir „Hier“?
Oder bloße Zier
Eines falschen Systems
Des Stehens?

Und nicht des Gehens?

Schrei

Ich wundere mich: Haben diese Gefährte schon immer die Lautstärke meiner inneren Wörter gehabt? Linear ziehen sie ihren weg, unterlegen dem, der sie steuert – ein schweres Gröllen, wie das Gewitter, das seit jeher in meinem Inneren tobt. Ein langer Kampf, der nur von Sekunden ist. Eine Intensität, die erschüttert und wachrückt. Sie schreien mit ihrem Freund, der Luft der Außenwelt, nach dem verlockendem, was dort lauert. Nach der Freiheit der Region. Nach der wertvollsten Form des Lebens. Sie schreien, und ich würde mitschreien, wäre ich nicht komplett erstarrt durch die pure Schönheit der Nacht. Wäre mein Mund nicht gebändigt durch die Sterne, die scheinbar wenige Meter vor meinem Gesicht umhertanzen, ihre Freiheit preisen. Ich würde springen und ihnen folgen. Doch ich weiß, dass ein Fenster, ein Gitter, sich davor befindet. Ich weiß, dass ich warten muss, bis ich dem Schrei folgen kann.

Nacht - Schönheit

Vielleicht ist die Nacht das, was der Tag sein will. Vielleicht ist die Nacht, diese einstige Symbolik der Unterdrückung, der schieren Paranoia, das, was unser Inneres begehrt. Vielleicht ist die Nacht von unendlicher Schönheit, die sich nicht in die Form von Worten gießen lässt. Eine Schönheit, unbändig und frei umher tanzend, eine Schönheit, frisch, nie vergänglich, Symbolik der Ewigkeit, eine Schönheit, die mich in ihren Bann zieht, die mich tanzen und aufhorchen lässt. Eine Schönheit, die unendlich scheint in ihrem Sein – doch wenn ein fernes Erbäumen versucht diese Schönheit zu durchbrechen, folgert der Konflikt.

Die Nacht scheint zu verbergen, was unser Inneres ist: Die Verderbnis. Der ewige Drang zur Selbstzerstörung. Unwissentlich oder bewusst. Die Nacht verdeckt unsere Fehler, zeigt, wie wir sind, in kompletter Dunkelheit. Hüllt uns ein in einen Mantel des neuen Bewusstseins. Die Nacht zwingt mich zum Rennen auf der Ewigkeit, die Nacht zwingt mich zum Rennen auf das, was ich liebe. Die Nacht umarmt mich, doch gleichzeitig schlägt sie mich. Peitscht mich. Die Nacht ist meine kreative Hochburg, ist mein kreativer Zenit. Mein ewiglicher Hort der Sicherheit, dort, wo ich leben kann, dort, wo ich nicht verstecken muss, was sich nennt Ich.