Poetik für den Vorwand.

Dienstag, 30. Juni 2015

Schwarm


Assoziationsketten
um Hälse hängen
während Menschenmengen
um Erkenntnis drängen

Und manche Ketten:
verklemmen ihre Getriebe
Stoßen und Schlagen
Miniatur-Kriege
wer hat den schönsten
Strauß?

Fenster klirren
Menschen surren
wie Insekten
Schwarmintelligenz
funktioniert mit Schmuck
(Goldduftmarken zeichnen
den Weg zur Arbeit)

Montag, 29. Juni 2015

Vogelhäuschen


„Der, der mit dem Vogelhäuschen auf dem Kopf! Hofft er auf wilde Vögel, die seine kleinen Körner wohlwollend essen und ihrem Nachwuchs aushändigen?“

„Hofft dieser Mann tatsächlich darauf, Vögel aus nächster Nähe beobachten zu können?“

„Welche Leidenschaft und welche Torheit! Vögel werden ihm vom Kopf picken und wieder die Weite suchen!“

Er überstrahle Pathos
mit Licht der Abendsonne
als er bemerkte
dass sowohl Menschengesänge
als auch Vogelgezwitscher
verstummt waren

Und da legte er das Vogelhäuschen ab und beging, Bücher zu lesen über Vögel.

Sonntag, 28. Juni 2015

Transzendenz

Feuerschneisen gelegt in
Großstädten, Bibliothek
geschlossen und verriegelt
das Wissen lebt in der
Dämmerung von der Straße
und unsere Routine
hat keine Angst mehr
vor der Angst

Spiegel zeigen andere
Personen, nicht Du,
schon gar nicht Ich
jetzt spiegeln sie
Lichtstrahlen, Zuschauer
kneifen Augen zusammen

Und endlich
konnten wir Luft in
Beton wandeln
und große Häuser darauf bauen
und die Angst als
Bettgespielin gewinnen




Samstag, 27. Juni 2015

Reize


Meine Reizbahnen
verkleben bei
Anblick ferner Ahnen
der Vergangenheit
(wie oft habe ich sie
schon besiegt geglaubt?)

Nur Nächte können
meinem Blutkreislauf
eine Geschwindigkeitsbegrenzung
verordnen
und ganz leise überreiche
ich mir die Ehrung
meiner selbst Herr geworden zu sein

Nur um am nächsten Morgen
Reize auszumalen zu
geistigen Schlägen
Menschen lassen sich am besten zersägen
wenn sie morsch sind
von meinem triefendem Atem
am hellen Tag

Freitag, 26. Juni 2015

Holzplanken


Wenn Holzplanken
ineinander rammen
verschieben sich
Splitter-Schichten
und der einzelne Stich
schmerzt weniger

Unsere morschen Bretter
können Hütten bauen
die Werkzeuge ohne
Handgriff zusammen stauen
während eines Sommers
in dem verblichene Schilder
neu gefärbt werden wollen

Diese Begegnungen
haben Bestand nur in Splittern
Zersetzung ist ein Lied,
gesungen von mindestens zwei
stolzen, festen Rittern
in Rüstung aus Granit

Donnerstag, 25. Juni 2015

Heimat


Schleimige Hüllen
Schleimhäute, leicht zerkratzt
Sonnenbaden durch
kleine Ritzen
Stoffwechsel kann
auch ohne Gehrock
stattfinden

Denn außerhalb
von Heimat-Mutterleib
stahlt UV-Licht
auf blasse Hautfetzen
und wird auch die letzten
Augen fein zersetzen

Botanik
verwandelt
sich in Statik
Da draußen schneiden
wir uns selbst
die Nabelschnur ab
Und nicht jeder
kann sich selbst
mit den richtigen Nährstoffen
versorgen


Dienstag, 23. Juni 2015

Parasiten

Parasitbefall
im Wissensstall
Neuronen sind
saftig, wenn
ungenutzt
Blut gerinnt
nur an den richtigen
Stellen

Wenn nicht alles
aussaugbar ist
wer merkt da schon
wenn neue Eier
gelegt werden,
Larven schlüpfen
und umher hüpfen
auf Gehirn-Schaltkreisen?

Irgendwann lernen sie
fliegen
und mit ihnen
fliegt
der Wirt
(aber immer nur
zu anderen Theken) 

Montag, 22. Juni 2015

Taub


Taub
Körperzellen als
Honigwaben
Starre Wachen im
Hitze-Graben
Ölfarben ausschwitzen
im Nest einnisten
Vögelmünder
nicht füttern

Ich bin
schlafendes Monument
gelenkig zu Nacht
wenn Schiffe
und Fracht
zusammenstoßen,
ganz sacht
und sich gegenseitig
versenken
[ich schaue
melancholisch zu)

Donnerstag, 18. Juni 2015

Euphorie

Ich suche
heute Euphorie in
Windlöchern
Unser blindes Stöchern
verwischt Sandhügel
um sich dann auf
blanke Erde
setzen zu können

Viele finden die
Euphorie erst
bei Windstille
brauchen gar
keine kleine Rille
in der sie Stürmen
entgegen stürmen
indem
sie ruhig bleiben

Da schlug der Wind
erneut aus
und man hört
die eigenen
Schreie:
„Ohne Windlöcher
keine Euphorie“


Mittwoch, 17. Juni 2015

Verbindungsabbruch


Verbindungsabbruch
letzte Stimmen
verhallen im Echo
der vergrabenen
Ungeduld-Bahn-
Station

Betoniert Wege
baut dem Schall
ein Gehege
denn auch ein Echo
kann sich in Ohren
einbohren

Und so wird unsere
Verbindung nur selten
abbrechen im
U-Bahn-Netz
auf dem unsere Häuser
stehn'
und auf dem
wir Tag für Tag
immer schneller gehn'




Dienstag, 16. Juni 2015

Distanzenverkehr


Distanzen
lange Tunnel
dumpf im Klang
verdorrte Kirschblüten-
Pflanzen
Als wolle man dem
Magnet
das Magnetfeld stehlen
und Sprache in
Luft-leerem Raum sprechen

[Bibliotheken brauchen
keine neuen Bücher
solange keine Kundschaft kommt]

Und unsere Distanz-Pole
schmelzen kümmerlich
und wir schütteln uns Minuten
im Sommerstich
nur wenige bemerken
dass Distanzen nur aufgelöst
werden, wenn überflüssiges
Schmelzwasser entsteht

Montag, 15. Juni 2015

Worte im Land


Der Poststrukturalist
verliert Worte
selbst Foucoult
stolpert bei der Pforte
Eintritt in die Erkenntnis
verwehrt

Und wer liegt nicht
gerne in Distanz-Feldern
weit vom Ufer
weit von den Städten
wo sie gerne Wörter fetten
Zwischen den Wäldern
wird Sinn geschaffen
auf trostloser, staubiger Erde

Und unser Gras:
Vielleicht doch verdorben
durch Sonne und Regen
durch aller Sorten Öls
Aber es liegt sich gut auf ihm
Niemand wird es pflegen
unsern Willen nach

Sonntag, 14. Juni 2015

Erkenntnistheorie [Eule]


Evidenzen
überrennen Nachtdämmerungen
in der Ferne

Sperma-Flecken
auf Philosophie-Büchern
hochgetürmt zu
einem Startblock
ins Bett

Und wie gerne würde man
doch in diesem Bett
Lieder verkleben und
sich in Ruhe fesseln

Ferne Klänge
neben dem Blätterrauschen
ziehen jedoch in den
Wanderzirkus, der
heute Nacht
Halt bei uns mit der
besten Aufführung
macht

Und auch die Eule wird
wieder mit blutunterlaufenden Augen
auf unsere Nacht starren
und Blätter zum Rauschen bringen

Samstag, 13. Juni 2015

Sündenfall


Leben im Moment
ist nicht möglich
ohne Zeit

Nur ein Feuer
brennt auch ohne
Brennstoff: Der Geist

Sie rennen zu
den großen Pavillons
und genießen die Reden
während sie schweigen
in der Hitze des
frühen Sommers

Und Sommernächte
drängen ihre Augen
in den Schlaf
aber nie ihre
runden Ohren

Und am nächsten Morgen
da reden sie plötzlich
von Zeit


Freitag, 12. Juni 2015

Eruption


Synapsen
zerbersten
in Sonnenbrillenglas

Dunst des
radikalen Gas

Bunte Röcke
in die Hände
gedrückte
Laufstöcke

Bergwanderung
auf Vulkanschloten
Eruptionen bei
Mundöffnung
Pompeii der
Meinungen

Blasses Sonnenlicht
erinnert an
inneren Stoffwechsel

Donnerstag, 11. Juni 2015

Rennstrecke

Zerdrücken von
Hormonen in
Blutbahnen
Rennen fahren
mit drei Reifen
ohne Rennbahn
aber mit Ideallinie

Der Sieg:
Neuer Treibstoff
Geschwindigkeit
auf Ziellinien auf
runden Strecken

Und der Mensch
steigt niemals auf
in den Himmel
denn sterben
kann er nur auf der Erde
von innen wird er
sein Licht ausstrahlen
endlich ohne Rohre
und Rennstrecke


Mittwoch, 10. Juni 2015

Neu-Dunkel


Und wie dieser kleine,
allzu unbedeutende
Mensch
bunte Kränze formte
da bemerkt er
Stacheln

Manche stoßen unwillig
in Folge ihres steten Ungeschick
gegen den Lichtschalter
und löschen so Sinne
Stimmen verstummen
wert-entladene Summen
was haben sie geklungen!
Nun sind unsere Ohren
gestorben an unseren
neu-toten Augen

Verbeugungen in der Dunkelheit
finden nicht vor Publikum statt
und reichen gerne bis zum
Boden



Dienstag, 9. Juni 2015

Wörter-Wettspringen in die Linse


Wörter springen aus Zeilen
in ganzen Reihen
und tröpfeln auf mich nieder
Ich sehe die Welt erneut
im eigenen Halbschlaf

Und wenn ich doch
wach erscheine
so sind meine Lieder
nur Linsen einer
Kamera, dessen Stromkabel
getrennt wurde und
dessen Objekte sich
längst in verrauchten
Freudenhäusern meines
Inneren versammeln

Was ich nun abbilde
auf Netzhaut und
gespannter Leinwand
sind die Drehanweisungen
in kleinen Buchstaben



Montag, 8. Juni 2015

post memoria


Und als er sagte
ich habe meine Worte
nur erfunden
und als er aufrichtig sagte
ich sei verstaubtes Exposé
einer avantgardistischen
Ausstellung
bereit, verkauft zu werden im
Namen von Wohnzimmer-Ästhetik

Da sagte ich leise und
ohne Betonung
dass doch kein Mensch
anders sei
Da bekräftigte ich
das Zeit mit Gewalt
austretenden Höhen
die Stelzen nimmt
selbst das Sternen-Zelt
unter sich zementiert

Und da wurde mir klar,
dass ich meine Zeit
vor mir begraben muss
All die Flüsse und Adern,
die sich Zeit nannten,
verstopfen und aufstauen
lassen müsse
um mich in ihrem heraustretendem
Überschuss erfrischen zu können

Sonntag, 7. Juni 2015

Elektronenfluss


Elektronenfluss
durch Synapsen
stete Spannung
Abstraktion des
Spiegelbildes

Werte sind
Tugend
wenn sie nur
aus zwei Zahlen
bestehen
und doch
maskiert uns diese
neue Ethik am meisten

Sie friert
keine Bewegungen
und doch
spürt man eine
durchdringende
Wärme
bei ihr

[auch Elektronen
wärmen]

Samstag, 6. Juni 2015

Urban

Urban
wie all diese Wechsellichter
klagen
welche brüchigen Stützen
uns tragen
Schreie wecken mich am morgen

Urban
wer hat sich nicht schon
verfahren
Monumente werden eingerissen,
sie sollten einst
fragen
nach mehr Zeitlupe

Urban
Stimme an Stimme
und doch ergibt sich kein
Chor
finde einen Menschen
der noch nicht sein Ohr
verlor
Dystopie der Einsamkeit
nach eigenem Rezept



Freitag, 5. Juni 2015

Gliedmaßen


Glänzende Gliedmaßen
auf uns hinunter prassen
Schmelzende Substanz
hüllt uns ein
und doch bleibt
Fenster für die Pein

Brennen können wir nur
Zuhause
draußen sind Winde
die uns schieben
Orkane, die nur selten
zum Teil versiegen

Doch wer beachtet denn
das Brennen eine
chemische Reaktion ist
und wie schnell vergisst
man dessen Notwendigkeit -
und so brennt es nicht aus
mit dem wenigem Feuer
sondern endet in
Explosionen auf offener Straße

Donnerstag, 4. Juni 2015

Wände


Wände knacken und seufzen
post(moderne) Säulen
eine verzierter als die andere
Fundament eines Hauses
Grundriss, in die Höhe
gewachsen

Beschmutzt von außen
wirre Szenen und
träge Worte in bunten Farben
Schwer entfernbar
nur mit Leitungswasser

Drum schieben sie gerne
die Last auf anderes Gemäuer
um die zarten Farben
ertragen zu können
und doch brechen sie am Ende
an beidem zusammen

[Mensch verschüttet]

Dienstag, 2. Juni 2015

[Inter]-Postmoderne


Sie nennen es
innere Postmoderne
ich zerreiße
Manuskripte
wie gerne
hätte ich sie behalten

Meine Post
besteht aus Zahlen
die ich nie lese
Mir geht es
um die kleinen Gassen
wen kriege ich noch zu fassen?

Täglich stranguliere
ich den eigenen Hals
ganz sanft und
weit entfernt
schließlich wird er zugleich geküsst
Und ich lese währenddessen
fremde Texte ab
bis ich sie auswendig
gelernt habe

Der Kopf: Mülleimer
Fremde Texte: Papiermüll
aber hier wird Müll
säuberlich getrennt
bis ihn jemand verbrennt
in Rage




Montag, 1. Juni 2015

Skulpturen


Hände formen
halbe Skulpturen
im Takt all dieser
rennenden Uhren
Schließt alle
anderen Spuren

Geformt aus
brüchigem Ton
thront sie nun
und wird
begafft
auf der Suche
nach der Spur

Und all diese
Moral-Touristen
Ihre Hände scheinen
abgeschlagen
Sie werden
die Skulptur
nicht zertrümmern
können