Poetik für den Vorwand.

Montag, 30. Juli 2018

sondern auch

wir sind zwei
engel, zweifelsfalsch
und verhängt,
das licht eine haut

unter der die
mücken schießen,
der rhein die
augenfarbe der

zerwurzelten eule;
wir sind nicht nur bloß
wandler des schlafs

ich wüsste zu gerne

ich weiß, wer
die erde
antreibt und dich
mit leeren händen
anpackt,
neben deinem vergrabenen
blut
dein verstecktes
blut,
neben deinen leeren
worten
deine leeren
worte.
ich kenne dich nicht.
das muss eine sünde
sein.

Samstag, 28. Juli 2018

stalingrad

fruchtbare früchte im
pferdehohen
unterwinter, heimgetragen

von entmündeten
füßen
überwintere ich
wie poseidon auf

gefrorener see; habe in

stalingrad meine zeitstützte
vergessen

Freitag, 27. Juli 2018

libelle

könnte der atlantik
nein sagen
mit ungekämmtem mund
und zungenloser
waffe
könnte der
atlantik ja sagen,
mit fertigen zweifeln und
stängellosem
rittermond,
nein

Donnerstag, 26. Juli 2018

gauguin

wache ohne mich auf
unter den hautgroßen
feuern am
augengroßen meer
deine haut wie
eine frucht aus
nacht und
himmel;
die toten katzen sind
nur allein

alles brennt, alles
erbrennt

Mittwoch, 25. Juli 2018

comuns

verstecke dich; du weißt
wohin das böse blickt:
zwischen lichtstämmen und
antiker erde
dem anderen den vogel aus
der hand reißen
wie ein dieb aus anderer
zeit, der nicht fliehen
muss
aus anderer zeit.

vergib mir, ich bin der sieger;
weil es einen sieger geben
konnte
kannst du mir
vergeben?

Dienstag, 24. Juli 2018

über deutschland

berlin liegt in trümmern, die
trümmer liegen in
berlin
auf dem rhein fahren die
boote, die noch nicht

fliegen können
alles hat geister, nichts
hat schatten
die nordsee führt

auch zum meer
und das glück
braucht keinen menschen um

glücklich zu sein

Montag, 23. Juli 2018

nach ihnen

mit beiden müden
augen, wie römersonnen
oder blitze aus leder,
sehe ich niemanden und
dich auf den straßen;

(man musste ja auch nicht
aufs leben warten
wie man auf den tod
wartet)

und alles nahe wächst;
ein mensch ist
ein mensch ohne
körper und seele;

alles nahe wächst und
stirbt im
schwarzen himmel
unter römersonnen

eigentlich

eigentlich schulde ich dir
alles du aber schließt die
augen in der
nacht und die mutter
am morgen
küsst die hände, die den menschen
schufen wie meinen
mund
und vertraust nur der
welt

sag mir

als gäbe es keine
tage, keine nächte
und meine zeit läuft
ab; sag mir:
wie viel muss
am ende übrig
bleiben?

ein polt?

es ist einfach:
erwarte nicht meine rückkehr
wenn ich bei dir bin
es gibt keine luft und

aus dem meer
qualmt es
all die früchte bleiben in deinem
gesicht stecken
dein gesicht bleibt in den früchten
stecken

in deinem mund
hat die erde keinen platz
mehr gefunden

kalte isabell

nach mir
kommt das ende des
tages
das ende des tages kommt
nicht
vor mir
meinen stich
spürst du nicht:
im grunde überlebe ich
sowieso

in den klosterruinen

glaub mir nicht alles was
du bist: mir aus der hand
und um den hals gefallen
so hell, dass man mich schon
vergessen haben muss

ja

kann man allein allein sein?
wie das meer
alle hintertüren beschriften?
nicht vergessen, woher man
kommt, damit man alleine
zurückkehrt: die lungen der see
sind handgemacht,
wie du

côte d'azur

jedes mal, wenn die berge
wegschauen und du
keine augen mehr brauchst
mit zu engem rock,
nimmst du einen anruf auf
italienisch an und
musst nicht mehr
ans leben glauben

mailand

ich käme öfters hierher
wie ein vierbeiniger engel
hinter die nacht
hinter der nacht
kroch ich hervor
wie ein vierbeiniger
engel

lieber schottenring

träume ansagen
vögel verstecken
niemals gott betrügen.
ich habe angst, und jeder
auch
er bleibt zuhause, er
bleibt nicht immer bei mir.
sprich mir nicht nach -
ich bin ein kaiser
und kehre heim
wie ein papagei
spitalgasse oder schottenring?

musikfreunde in wien

das meer mit tausend
tauben armen
steht auf;
ein flamingo tritt auf knallerbsen
und die sterne sind pinatas
in form von
ameisenhaufen

wien

verloren in wien, niemals;
vielmehr nie
gesucht
und zum zweiten mal verloren
wie die zeit, die dir übrig
bleibt nach dem
tod und pünktlichkeit;
gehe in den stephansdom,
wo man weiß, sterne sind motten,
und es ist immer zu warm:
alle steigen ein

schmiererei unter der überführung zur wiener straße, linz

du wirst mich schnell
vergessen
so wie ich dich
vergessen habe
es ist eine falsche lage;
ich könnte ohne dir sein
ich könnte mit dir sein
allerdings:
ich kann nicht sterben;
und es ist kalt, die kirchen haben
mützen auf

donau ii

denkt man sich nicht
aus, sagst du, und
der himmel schleicht auf
wässrigen füßen, und
deine lippen verschwinden
um die ecke (du nicht),
hier an der schönen,
blauen donau

die donau

nachher sterne auf kirchtürme
gesetzt
zuerst verschwunden
habe ich mich selbst erkämpft
und am siebten tage ausgeruht
die donau war so kalt
die donau war des himmels
füße

Samstag, 7. Juli 2018

nüsse

hinter deinen lippen:
das innere einer
blüte, weißer ungeschmeckter
geschmack, das innere
meiner lüge: meine hände,
die zu groß sind für
die sterne;
meine hände, die
in dir kleben
bleiben; 

deine hände, die mich
herunterdrücken in
pfeifender dunkelheit:
gehe nicht -
die zeit hat schon
geschlossen

dreimal an herrn celan

herr celan:
kann ich mich selbst finden
und die tür
schließen?

jeder verliert sich selbst;
hoffentlich verliere ich
nicht
meine uhr

wenn jedes wort aus
meinem mund
mehr wiegt als ich
selbst

zeitlebens

warum ich dich
liebe? das wirst du mir
schon sagen,
oh, die welt wartet auf
antworten, ich hingegen
warte auf dich

cadiz

erinnerte sich, dass
man größer wird
beim atmen
und mücken nicht
in die augen schauen sollte,
sonst sehen sie einen;
bevor bürgerkriege
erfunden wurden, merkte
ich: ein revolutionär ist besser
als ein revolutionär

an dich? glaube ich nicht

es ist kein rätsel, was
jetzt geschieht;
es ist mehr
bleiberecht, was bleibt:
das titanenkind, das weint und schreit;
die stöhnenden windgeister, die
armada mit sich zerrend;
hitler, der nur
deutscher sein durfte;
der tod, der keine
geheimnisse
zu verraten hat

an m.

weil du nur da warst,
wenn du weg warst,
hast du mich
zu oft
allein gelassen?

gebrochen, sozusagen

und wenn gott
fragt, werde ich antworten:
lenin kann nicht

mehr lernen, das habe ich
gelernt,
nicht von ihm, nicht von mir,
nicht von dir
denn niemand kann mich

einholen, wenn ich

über mich
nachdenke

kandinsky i

sterblich sind sie
alle nicht, der
samtige blaue fisch, den man
zum meer gespannt hat,
die fälscher, die lügen
könnten,
die zunge, mit der man keine
wörter schmeckt,
die lippen, wo man keine hand
mehr frei hat,
stalin, wo not
nur am mann
ist

ins auge

übrigens:
der tod zweifelt
an mir
die kriegspferde
zweifeln an mir
gott zweifelt
an mir
die versteckten und
gefangenen
zweifeln an mir
meine wähler
und nichtwähler
zweifeln an mir
du zweifelst an
mir
und ich

zweifle an niemanden

wagner? kenn ich

gib mir alle
antworten, die es je
gab, auf neue
fragen, gib mir

hörner, wenn ich in die
sonne renne, um mich
zu wärmen,

ich: ein napoleon
ohne volk, napoleon:
ein napoleon
mit volk

: wir am nachmittag auf
der veranda
wie in einer gefüllten
frucht

nein

deine beiden
augen, die nacht
in einem schlangen-
kostüm, meine
tränen gibt es
umsonst
für jemanden
wie dich
frag mich nicht nach mehr
nach dich
wenn ich dich danach
frage,
ja?

großes

hast du angst
du wächst über die nacht hinaus
wie ein leuchtturm mit
schnabel
musst du
schlafen

hannover

es gab da ein
lebensgroßes missverständnis
importierte ampelleuchten
aus ostdeutschland, die fliehenden
zootiere, die man wieder einfing,

und mich, der träumte
von unmöglicher angst
für die man gewöhnlich
versuchen muss, jemanden
zu vergessen
der ähnlich sein muss, es
aber nicht ist

geschichte wird von den siegern
geschrieben, und für die meisten
anderen gibt es sie nicht;
am ende vergebe ich jemand
anderem

kurz danach

ist es an der zeit,
zurückzukehren zu den
göttern, bei denen
wir noch nie waren?

zu unseren müttern und
vätern, die den krieg sahen
nur um uns
sehen zu können?

jenen hinterher zu weinen,
weil man nicht mehr
über sich selbst
weinen kann?

ich rate euch: legt
die ideen nieder!
nichts sind sie
weil sie alle sind

bonn ii

immer dann zu schlafen
wenn die welt wach bleibt
und einem nichts sagt;

insekten, die im flug
verglühen, kanzler adenauer,
der insekten fing

und ich ein fremder, woher
auch immer ich nicht
komme
ein pferdehändler und
optimist, denn

wer sorgen hat, verlernt es,
angst zu haben

bonn

die blätter raschelten unter
deiner haut, als
ich dich zum ersten mal
küsste
der himmel die höhle
der motten
der rhein der strom deutschlands
aber nicht seine grenze?
auf den brücken starrt man auf
die berge und hofft,
dass sie noch atmen

bemerkenswert

die revolutionäre:
es wird besser
weil es schlecht ist:
kapitulation vor dem sein

kafkas grab

als renne er
ewig durch alle zimmer
um zu schauen
ob sie wirklich
leer sind

an die elterngeneration

in einziger nacht, wo
die schwärze still aus
meinem körper schreckt,
wisse man, dass mein schöpfer
nichts zu verlieren hatte
und auch in mir
nichts verlor

habe ich schon?

jede nacht heißt den
kopf ins maul eines
ausgestorbenen fliegenfängers
zu legen und

mit dem ganzen gewicht
das meer anzutreiben damit
einem nicht die beine
abfallen -
jede nacht vergesse ich dich
und träume, wie du wohl gewesen
sein wirst, als es
dich noch nicht
gab

ein kommentar

in meinem traum: dort, wo
sterne sein sollten,
sollten knospen sein in
deinen honigwarben blüten
schmiergeln in
der strömung der dunkelheit,
den wind kauen und
fett werden wie eine taube

taub sein nicht am meer,
inquisitor bleiben, wenn man
an vieles nicht genug glaubt

bleibstrumpf

ich zittere unter
denen wie ein fisch an
der luft; die

zukunft ein versteck für
deine rückkehr,
ich, der zweifel und geheim
nis nicht mehr
unterscheiden muss

sitze im leuchtturm und
strahle in den
himmel

kuriosum

damals die endlosen apostel,
heute die endlosen propheten.
immer hat das ende ein ende
gehabt.
ob man gähnt oder hunger hat:
das maul wird aufgerissen

übrig bleibt

jeder könig überlebte,
weil
er sprach: ich befehle euch
zu fühlen

dürfte ich das
nachdem du es
durftest?

jener kluger satz, den
ich in anwesenheit kluger
menschen sagte, sodass
keiner am ende klug sein durfte -
am papier schneidet
man sich doch noch
viel zu selten

ludwig wittgenstein

tot, bevor man sich
verliebte
ein reptil hat die wüste
aufgefressen, und ich sitze
jemandem gegenüber, der mir
nichts erzählt;

ich bin nervös. ich verpasse
die transsibirische eisenbahn
nicht zum ersten mal.

und er sitzt da, als sei er
krank und ich sitze da
als sei ich schon mal tot
gewesen