Poetik für den Vorwand.

Donnerstag, 26. April 2018

verstanden

den tag ersaufen
und mit fremden
nicht zu tanzen
dazu fehlt es mir an
mut nicht an
mut

korea

meine hand auf deinem kopf
ist nicht gottes hand
aber dafür hält sie kugeln auf
einer lacht am ende
weil er alles verloren hat und
immer noch schwer genug ist, um
am boden zu bleiben
einer möchte mit dem präsidenten reden,
spricht aber nicht
dessen sprache
die sonne beißt, und
man kann sich nicht im meer
verirren

gegengewicht

in den augen eines fremden bleibt
mir nichts erspart
bleibt, dass ich aussehe, als würde
ich warten
während ich in der erde nach wurzeln
grabe wendest du
den blick nicht ab sondern
schließt die augen
ich habe den wechsel der jahreszeit
gehört

Dienstag, 24. April 2018

so sagt man

ich bleibe dir nah
so wie man niemanden fernbleibt
bleibt man allein
man fährt am himmel vorbei
man läuft übers meer
man merkt sich gesichter und
hat angst vor gespenstern

großartig

was über das leben schreiben
wenn es endlos ist
weil das ende
endlich ist?
vielleicht titanenwahn
alles überblicken und wie
eine überraschung verstecken
wer alle wörter der welt sagt, der
fühlt am ende nicht nichts,
sondern einen trockenen
mund

hörner

in mir zirpt es schon wieder
ich bin die kleine lösung des traums
wirfst sand ins getriebe, wirfst
sand in meinen mund, meine zunge
ganz locker, ganz locker
als hätte ich noch nie gesungen
der atem des meeres,
der rückenwind auf dem
hinweg ...

bernstein

die baumkronen verfangen sich
die sonne war eine pelzige zunge
das leben kein wedelnder hund mehr
alles grau, als hätte die see eine idee
gehabt
es huschen keine tiere hervor
auch keine menschen
vielleicht doch ursprünglich
getäuscht
meine damen
meine herren
ich sitze in keinem flugzeug
nichts darf mir leid tun
gläubig starrst du,
wie der zeppelin verbrennt

irgendwo, toskana, spanien

ich wachse den weg
von dem ich kam
ich bleibe dein, so wie du niemandem
bleibst
unter diesen gesichtern verfault
die nacht
frischer schweiß, kein blut
wo der sommer bisher nur
weiß war

leuchtkörper

was kann das wichtigste sein
wenn man frei ist?
es bleibt dabei, drinnen die
blüten um meinen nackten körper
alle gingen um 10
ich bleibe allein, und tolstoi spricht
zu mir als spräche er mit sich
selbst

Donnerstag, 19. April 2018

abwarten

nämlich: für bienen gibt
es keinen himmel
an dieses sternengrab,
an dem ich einschlafe,
glaubt niemand
ich kann mich selbst belügen
als wär ich
du
- wer der gefahr ins auge blickt, merkt,
dass sie nicht alles sieht

Mittwoch, 18. April 2018

zwischen den tälern

alles brennt im innern
ich schlafe zum ersten mal
während des goldrausches
ich schreibe in der stille, weil ich
will, dass jeder aufhört, zuzuhören
ich bin ausgewandert
und bleibe auf dem meer stehen
es ist noch nicht warm genug
es brennt im innern

wofür tiefe

kippt die leuchttürme um wir
wollen unter uns bleiben
in der scham, aber ohne gewissen
wollen wir enden
wie die filme aus dem süden
in der vaterlosen nachkriegszeit
alles bewegt sich, die geschichtsschreiber
zum beispiel
gehen nach hause

zusatzprotokoll, geheim

bei borodino haben
wir geschlafen wie auf einem
schiff die
augen zu und durch nichts
eine träne mehr ist besser als blut?
du polierst deine waffen ich
schreibe etwas schönes und bin
morgen weg

und die nacht ist nicht nach einem blitz vorbei

damit wir anfangen

ich schmeiße vögel vom
balkon du fängst
keinen einzigen auf
jeder gedanke muss verschwinden
damit er funktioniert

possen

du bist in einem fremden land
und zwitscherst nicht
wenn alle wurzeln klingeln
hälst du dir die ohren zu
es regnet nicht, sagtest du
jetzt sehe ich aus wie ein
unfreiwilliger
jeder darf sich natürlich fragen:
den menschen freiheit geben
oder was zu essen?

auf der feier, nebenraum

genauso wie alles nachwächst,
wenn man nicht hinsieht -
ich tanze zum ersten mal mit
dir, unter napoleonischer flagge.
wir haben angst wie herausragende
menschen, sperren uns auf dem klo
ein.
morgen werden wir gefragt wie
die welt funktioniert
ich frage: kennen wir uns nicht von
irgendwoher?

letztes hemd

warum bist du?
weil du nicht sein willst?
bin ich auch so?
wir sitzen auf staubigen straßen
die roten kommen vorbei
sie sagen: ihr
seid unfrei! wir
sagen nichts, aber denken uns
das gegenteil

ostern

könntest du den tod anfassen
er wäre nasser samt
im innenhof die
afrikanischen intellektuellen
der mond desertiert
die katze bellt
du redest nur mit
mir
du redest nur über
mich

die revolution ist wie ein gott:
sie kennt sich selbst nicht

ja, aber

bleib bei mir, mond
ich kann dich nicht anfassen
bleib bei mir
bis die nacht kommt

aus aktuellem anlass

und seehofer:
religionsfreiheit -
freiheit von der religion?
oder freiheit für die religion?

jeder weiß es besser heißt,
dass jeder es besser wissen kann

aller

mein herz ist die innsenseite des mondes
keine nacht entfernt vom
meer

die übrigen menschen fühlen
sich an wie du, wenn
du nicht da bist
es ist ja kein geheimnis, wegen dem
ich bei dir bleibe
ich muss im stehen schlafen,
ich muss niemanden ausrotten,
meine wörter sind keine
herbstbäume mehr

und ein schriftsteller

im schlaf fällt dir auf
dass niemand müde ist
du bist ja eigentlich der hochstapler
der sich verliebt
nur manchmal bist du außerhalb der
seele
ein niemand,
dann aber küsst du sie zum abschied
und siehst aus wie
jemand.

wir gedenken

du fragst mich nach
meinem gesicht ich
höre auf zu fragen
steche die zeit ab, damit
sie einen heldentod stirbt
"alte männer bleiben im
haus sitzen, uhrzeit unbekannt,
sind sie die einzigen fremden hier?"
denn ich starre dich an, und du
machst die nacht zu, damit
nichts herausfällt

Samstag, 7. April 2018

erste neue nacht

du bist gewohnheitssache in
der heimat, die flüchtenden mädchen
lächeln dich an.
aus schreck schläft die seele ein,
bleib du tod,
ich liebe den priester nicht mehr!
ich liege auf der größten leiche der welt;
ich kannte sie nicht, aber
jetzt riecht sie wieder nach frühling.

dahin

sind wir da?
ich habe gesehen, wie du
nie die welt gesehen hast -
ich kenne dich: du bist
schicksalslos, herrscht aber
nicht über das schicksal.
du schreibst geschichten über das
unbekannte,
ich lese sie nicht.
du bist schön, und du bleibst wie
ein gespenst,
das ich kenne.

utrecht

ich zucke
als würde ich atmen wollen
mische mich unter die brotlosen
überlebenskünstler
ich bete gelegentlich, so wie du
gelegentlich liebst:
wir stürzen uns auf das unbekannte
wie ein gottloser gott

bertolt

wenn alle augen geschlossen sind
ziehen die lichter sich aus
und man riecht und hört feste beim einschlafen
erzählte mir jemand
während es passierte
ein fremder, wie ihn jeder kennt.

beten zu atlas

jetzt gehe ich ohne dich
und du bleibst dicht hinter mir
ich habe rache geschworen und dir
vergeben, die ich nie beschuldigt
hatte
ich habe mich zu dir gelegt wie eine
tote mücke
denn du schläfst so gerne
wenn es noch hell ist

jetzt!

die wahrheit steht vor der
zeit, und ich bin
ein notlügner, so,
als hätte ich niemanden getötet
und würde nun gedichte
schreiben.
wir begegnen uns in einer fremden stadt
und du bleibst stehen,
genauso wie früher

probeweise

demaskiert die ein-
heimischen entsorgt die
ideen, wenn alle
träumen weckt mich
zumindest keiner.
man stirbt für die revolution
die revolution stirbt für einen -
und heimat ist, sagt es weiter,
wo jeder alles kennt
und niemand drüber sprechen
muss

pierre

nie hast du geblutet
immer nur geweint
dass ich einschlafe
zu zweit
und nie werden kriege
enden, immer nur gewonnen
so, wie man das leben
gewinnt

oberschlesien

in nürnberg war ich
nur nach dir und nie
größer als du
du ein ausländer
ich nicht weniger staatenlos
als es darum ging
die lichter vom sommer
zu trennen. 
niemals waren wir zusammen
im schnee
und wer angst vor der zukunft hat
der braucht keinen gott mehr -

die letzte polka

es richt, als hätte
mir jemand freiheit
angeboten dort
wo die zungen schlecken
ohne zu schmecken
ich streiche die wellen aus
deinem gesicht als
ob ich dich ausgrabe
nach dem ende des liedes
sind wir beide nicht weniger
einsam

worms

es stinkt das meer
und die riesen
klammern sich an mir fest
nur du schluckst im
gegenwind
es bleibt deine sache, wer ich bin
ich bleibe hier, du kannst
es nachlesen

scheinheilig

hier hältst du mich fest
wo die fischerleute
nur die sonne nicht mehr sehen
und wo jeder ort
gleichweit entfernt ist
sozusagen in deiner heimat.
immer sieht man fremde wieder
sie fassen dich an und
du läufst weiter
wie ein grauer messias
der du gerne nicht
wärst